Von Absurdität und Videoclipästhetik

Ab und zu kommt es nochmal vor, dass es mein Twitter- oder Facebook-feed schafft, mich, der ich musikmäßig bekanntermaßen in den 90ern hängengeblieben bin, in Entzücken zu versetzen.

Im konkreten Fall ist es der Clip des Neuzugangs beim Elektro-Label Ed Banger mit dem schönen Namen Vladimir Cauchemar. Es ist weniger dieses Stück mit der verdammten Flöte, die einem einen schlimmeren Ohrwurm beschert als „Macarena“ von Las Ketchup, sondern das Video, das an meine stets empfangsbereiten Beklopptheitsrezeptoren andockt.

Gedreht hat dieses Video die mir bis dato unbekannte Alice Kunisue und mir gefällt, dass es mit seinen peinlichen Choreographien und absurden Hintergründen und Schnitten eine komplette Diskrepanz zur sonst omnipräsenten„Coolness“ in Musikvideos bildet.

Auch wenn Ed Banger nicht unbedingt immer meinen Musikgeschmack trifft, ist das Label bei Videos immer für eine Überraschung gut. Vor zehn Jahren ungefähr hat das Video zu „Stress“ von Justice eine Kontoverse ausgelöst, weil in ihm, nun, ziemlich realistisch Aktivitäten einer gewissen Jugend in den Banlieues dargestellt wird.

Gerne mochte ich auch die aufwendig produzierten Clips desFranzosen Michel Gondry. In dem sehr schönen Clip zu „Snowbound“ von Donald Fagen (yep, die eine Hälfte von Steely Dan) merkt man schon seine Vorliebe für phantasievolle Spielzeugwelten.

Die Arbeit an dem mit Stop-Motion-Technik gedrehten Video hat mit Sicherheit mehrere Wochen in Anspruch genommen.


Eins meiner Lieblingsvideos von Michel Gondry ist „Protection“von Massive Attack, das ein wenig, so kommt es mir zumindest vor, die wehmütigeTrip-Hop-Stimmung der 90er einfängt, aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein.

Ansonsten hat Gondry einen Großteil der Videos für Björk gedreht. Björk ist sicherlich eine tolle und vielseitige Künstlerin, aber ich finde ihre Musik einfach nervig, so dass ich hier von Verlinkungen absehe.

Ein anderer Videokünstler, der mir sehr gefällt, ist Chris Cunningham, der einige von Aphex Twins Stücken in Bildsprache übersetzt hat.

Teils alptraumhaft und angsteinflößend wie beispielsweise „Cometo Daddy“ gefällt mir an der Kooperation Cunningham / Aphex Twin die Selbstironie,die Cunningham auf die Spitze treibt, in dem er kleinen Kindern Aphex Twins häßliche, bärtige Hackfresse aufsetzt. Vielleicht es aber auch weniger Selbstironie als Narzissmus.


Mein absolutes Lieblingsvideo aller Zeiten ist „Windowlicker“,das wieder meinem Sinn für Bescheuertheit und Absurdität sehr schmeichelt. Angefangenmit dem absurd langen Vorspann mit den dämlichen übertrieben karikaturhaften Gangbangern,über die faszinierenden Einstellungen und die giftigen, bizarren Farben bis hinzu Aphex Twins höhnisch grinsender Fratze auf vollbusigen Frauenkörpern.


Seit längerer Zeit also habe ich kein wirklich gut gemachtes aufregendes Video gesehen. Die jugendlich überbordende Euphorie der früheren Haudegen Anton Corbijn, Gondry, Cunningham oder Spike Jonze wurde durch eine beklagenswerte Professionalität und Seriosität abgelöst. Sie drehen jetzt Spielfilme.

Aber vielleicht zieht Alice Kunisue ja noch eine Überraschung aus dem Hut.

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