Unlängst ist mir der Ausschnitt der Verleihung des Bayerischen Filmpreises 1981 auf Youtube untergekommen, der damals für einen kleinen Skandal gesorgt hatte, weil der Laudator, Thomas Brasch, in seiner Dankesrede der Filmhochschule der DDR für seine Ausbildung dankte. Im Bayern der damaligen Strauß-Ära ein mittelschwerer Affront.
Auf den Namen Brasch bin ich erst vor kurzer Zeit, und zwar durch einen Artikel von Vera Lengsfeld gestoßen (auch wenn Vera Lengsfeld als Person aus ziemlich vielen Richtungen und aus vielerlei Gründen auf Aversion und Ablehnung stößt, ist ihre Buchbesprechung von Marion Braschs Buch „Ab jetzt ist Ruhe“ absolut lesenswert, wie übrigens auch das Buch selbst.)
Bis zu dieser Buchbesprechung war mir der Name „Brasch“ kein Begriff und doch hatte er in der DDR ziemliches Gewicht. Thomas Brasch, dessen Vater stellvertretender Kulturminister und sein Bruder ein aufstrebender Filmstar waren (von der fast zwanzig Jahre jüngeren Schwester Marion kennen die in Berlin ansässigen vielleicht die Stimme auf Radio1), ist heute eine fast vergessene Persönlichkeit. Doch in den 70er und 80er Jahren war er in der deutsch-deutschen Kulturszene als Lyriker, Schriftsteller und Regisseur angesehen und einflussreich.
Er gehörte einer Generation an, die es erdulden musste, dass die beinhart geführten ideologischen Kämpfe bis hinein in die Familien getragen wurden. Sein Vater, jüdischer Abstammung und überzeugter Kommunist, steckte ihn zunächst in eine Kadettenanstalt und lieferte ihn später, als er bei der Staatsmacht aneckte, persönlich an die Staatsicherheit aus, die ihn inhaftierte.
Als hofierter und gefragter Künstler lebte er später in Westberlin und war doch gleichzeitig ein auf merkwürdig widersprüchliche Weise deformiertes Diktaturopfer. Er war nur ein prominenter Exponent jener – relativ zahlreichen Dissidenten und Intellektuellen – die die DDR abwechselnd verdammten, dann wieder in Schutz nahmen und dann wieder kritisierten und dann von ihrer Auflösung kalt erwischt wurden. Und zwar so, dass dieses restlose, sang-und-klanglose Verschwinden des Staates und seiner repressiven Strukturen sie so sehr in ihrer Selbstgewissheit und ihrem Innersten erschütterte, dass sie sich davon nicht mehr erholten, kaputt- und regelrecht zugrundegingen. Die DDR war ihr Stabilitätsanker und Orientierungspunkt gewesen. Im negativen wie im positiven Sinne.
Es ist auf gewisse Weise bestürzend, diese Videos mit dem letzten zu vergleichen, das 1999 gedreht wurde. Aus dem breiten, baumstarken Mann mit dem sonoren Bariton ist ein dünnes Männchen mit irrlichternden Augen geworden, das sich in seinen zusammenhanglosen und unverständlichen Satzgebilden verheddert.
Thomas Brasch starb 2001 im gleichen Jahr wie sein Bruder Peter. Der mittlere Bruder Klaus hatte sich bereits 1980 mit dreißig Jahren totgesoffen.