„Man kann aus allem, aus jeder Situation, jeder Position, aus jedem Verhältnis ‚aussteigen‘, kann sagen: ‚Das will ich nicht mehr, damit habe ich weiterhin nichts zu tun, davon löse ich mich.‘ Nur aus einer Bindung, aus einer Verstrickung geht das nicht – aus Verwandtschaft! Sag hundertmal: ‚Du bist nicht mehr meine Mutter, meine Tochter, mein Sohn, mein – Vater!‘ Sag es, und du bleibst es doch, was du warst und was du bist. Auch wenn du es nicht mehr sein willst, umsonst – da kommst du nicht heraus.“
Ralph Giordano, Vorwort zu „Der Vater“ von Niklas Frank
Eltern können ihren Kindern vieles sein. Liebevolle und verständnisvolle Gefährten und Welterklärer, die ihren Kindern behutsam den Weg ins Leben weisen oder toxische Tyrannen, ihren eigenen Dämonen ausgelieferte Sadisten, deren Erziehungsfolgen das Kind sein Leben lang peinigt.
Eltern sind in der Regel die ersten und wichtigsten Bezugspersonen eines Kindes. Kinder gewöhnen sich schon im Mutterleib an die Stimmen der Eltern, können schon wenige Tage nach der Geburt ihre Gesichter und Stimmen erkennen und von anderen unterscheiden. Im Idealfall fühlen sie bei ihnen Sicherheit, Vertrautheit, Geborgenheit in einer Welt, die sie nicht überblicken können. Von den Eltern lernen Kinder Sprache, Werte, Gewohnheiten aber auch Denk- und Lebensmuster.
In vielen Fällen kommt es zu einer sehr engen Bindung. Das Eltern-Kind-Verhältnis hat sich im Lauf der Zeit verändert. Schon lange ist es kein Über- und Unterordnungsverhältnis mehr, in dem die Kinder gehorchen müssen, „solange du deine Beine unter meinen Tisch stellst“. Heute ist es in der Regel eher ein auf gegenseitiger Achtung und Respekt basierendes Kumpelverhältnis. Gewalt in Form von Prügeln oder Ohrfeigen – vor noch gar nicht allzu langer Zeit gesellschaftlich akzeptiert – ist heute zumindest in den jüngeren und bildungsnahen Jahrgängen ein No-No.
Manchmal ist die Beziehung zu den Eltern aber so von Gewalt oder nicht minder brutaler emotionaler Kälte geprägt, dass sich Kinder abwenden. Nicht nur den Kontakt abbrechen, sondern schlicht und einfach – brechen. Und mit den Eltern abrechnen.
War es Zufall oder führte das Unterbewusste meine Leseentscheidungen? In letzter Zeit habe ich mehrere Bücher gelesen, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Es Erwachsene, die sich ein Leben lang an der kaputten Beziehung abarbeiten. Ihre Eltern aus einer kristallklaren, brutalen Distanz betrachten und sie beurteilen. Der Hass und herausgespiene Zorn bleibt ein verzerrter Schrei nach Liebe.
Ein Scheißleben
Andreas Altmann, der Reiseschriftsteller, der aber so nicht bezeichnet werden möchte, sondern eher als Reporter oder Geschichtenerzähler, vielleicht auch Geschichtenaufsammler hat eine elende Jugend erlebt. Seinem Buch hat er den sperrigen Titel „Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend“ gegeben. Es bleibt sein Geheimnis, wie er diesen Titel bei dem Verlag durchbekommen hat.
Andreas Altmann zieht als Autor die gegensätzlichsten Reaktionen auf sich, was einerseits an seiner Persönlichkeit und auch an seinem Schreibstil liegt. Andreas Altmann polarisiert. Es stimmt, dass von seinem Schreibstil immer etwas Schneidendes, Irritierendes, Widerstand erregendes ausgeht. Selbst bei banalen Beschreibungen gibt es eine dem Gegenstand unangemessene Schärfe, etwas Übersteigertes, Exzessives und Exaltiertes. Man spürt in jedem Satz dieses Brodeln, als würde ihn ein schlimmer Ausschlag ihn jucken.
Aber das ist nun mal seine Schreibe. Für mich war dieser Stil ebenfalls gewöhnungsbedürftig, doch ich gebe zu, dass mir seine Energie, sein beißender Überlebenswille, seine Sucht nach Leben, seine Entschlossenheit mit allen Fasern des Körpers zu versuchen, kein banales, belangloses Leben zu leben, imponiert und gefällt. Sein Imperativ lautet: Alles, nur nicht seine Zeit verschwenden und sein Leben nutzlos wegwerfen.
Es ist sein, wie ich finde, zugänglichstes Buch, weil er hier nicht über die Kürze des Lebens und die Pflicht, es mit Sinn und Produktivität füllen zu müssen räsoniert, er, der erst in seinem vierten Lebensjahrzehnt seine Berufung gefunden hat. Es ist das zugänglichste Buch weil er hier über sich und seine Familie Rechenschaft ablegt, was mit Sicherheit auch seine Schärfe und Vehemenz im Leben und beim Schreiben erklärt.
Andreas Altmann teilt ein heute verdrängtes und vergessenes, damals aber typisches Schicksal vieler Kinder, die kurz nach dem Krieg geboren wurden. Der Vater kehrte aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurück. Innerlich verwüstet, unfähig zur Empathie, zornig, fertig, kaputt.
Zu Hause geriert sich der Vater, ein Devotionalienhändler, als Tyrann, der seine Frau und Kinder schlägt und sie körperlich und seelisch misshandelt.
Seine Gewalt und sein Jähzorn sind so extrem, dass die Mutter den damals im spießigen Nachkriegskontext und noch dazu im erzkatholischen Altötting, unvorstellbaren Schritt geht und sich scheiden lässt. Im Prinzip muss man von einer Flucht aus dem Haus sprechen.
Andreas Altmanns Buch ist eine Anklage gegen den brutalen und hartherzigen Vater, der ihn seine ganze Jugend über herabgesetzt und gedemütigt hat. Er erzählt vermutlich nur einen Bruchteil von ihnen: von sinnlosen Wutausbrüchen wegen verschwundener Briefmarken bis zum Einsperren in den dunklen Keller, wobei er auf einem gespalteten Holzscheit knien musste.
Der gegenseitige Hass gipfelt fast in einem Totschlag im Affekt.
Ein Wutausbruch des Vaters wegen irgendeiner Nichtigkeit, es war noch nicht mal ein besonders schlimmer, ist schließlich der Tropfen, der das Fass zu überlaufen bringt. Andreas Altmann will seinen Vater erwürgen und es wäre ihm auch fast gelungen, wenn nicht sein Bruder dazwischen gegangen wäre.
In einem sehr langen Nachwort, das nach dem unvermeidlichen Auszug aus dem väterlichen Haus folgt, geht Altmann auf seine schwierige Selbstfindung ein, seinen gescheiterte Berufsausbildungen, bis er mit fast 40 Jahren zum Schreiben findet.
Als der Vater, der übermächtige Wüterich, schließlich tot ist, zieht er sich am Tag vor der Trauerfeier mit einer Whiskyflasche in die Kirche zurück und heult seinen Schmerz über diese völlig vor die Wand gefahrene Vater-Sohn-Beziehung aus sich.
Ein sehr interessantes, mehr noch aber bewegendes Buch über ein generationentypisches Schicksal.
Vater kleinlachen
Niklas Frank schreibt Sätze über seinen Vater, die einen wie eine Baseballkeule mitten in die Fresse treffen:
„Ich hab mir als Kind Deinen Tod zu eigen gemacht.
Vor allem die Nächte zum 16. Oktober waren mir heilig. Ich mochte Dein Sterben. Ich legte mich nackt hin, auf das stinkende Linoleum der großen Toilette, die Beine gespreizt, die Linke am schlaffen Glied, und mit einer leichten Rubbelbewegung fing ich an, Dich zu sehen, wie Du auf und ab gehst in Deiner Zelle, die Fäuste gegen die Augäpfel gepresst, stöhnst, zum hundertsten Mal blöde Soldatenregeln vom aufrechten Sterben vor Dich hin murmelst, Dich wieder hinsetzt, lauschst, ob sie kommen.“
Niklas Franks Vater war „Generalgouverneur“ im besetzten Polen, ein „Reichsnebenland“, das die Deutschen erobert, unterworfen und besetzt hatten und wo Dr. Hans Frank, der gebildete Jurist, schalten und walten konnte wie es ihm beliebte. Er konnte Paläste requirieren aber auch Menschen in den Tod schicken. Vor allem bereicherte er sich schamlos gemeinsam mit seiner Frau. 1946 wurde er als einer der Hauptkriegsverbrecher vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal zum Tode verurteilt und gehenkt.
Sein jüngster Sohn Niklas, der bis heute ein Foto seines gehenkten Vaters bei sich in der Tasche trägt, hat nach akribischen Recherchen, Gesprächen, der Lektüre von Briefen, Tagebüchern und Akten, eine vehemente, gnadenlose, ja brutale Abrechnung mit seinem Vater verfasst, die bei Erscheinen als Vorabdruck im „Stern“ für einen Skandal sorgte.
Kurz vor seinem fünfzigsten Geburtstag hat Niklas Frank seinen unterdrückten Zorn kanalisiert und fokussiert, um die Rolle des furiosen Anklägers einzunehmen, der seinem toten Vater noch weitere Beweismittel seiner verbrecherischen Niedertracht vorlegt, die vor dem Strafgericht nicht zur Sprache kamen.
Es ist ein vergebliches Wüten und Hassen. Vielleicht auch befeuert durch eine große Frustration, da sein Vater gehenkt wurde, als Niklas sieben Jahre alt war und die Hinrichtung ihn um die ersehnte Auseinandersetzung gebracht hat.
Niklas Frank gebraucht harte Worte, bezeichnet seinen Vater als Lump, Sauhund, Arsch und Jubelwichser. Er haut seinem toten Vater all die hohlen Phrasen, über die angebliche Ehrlichkeit, Sauberkeit und Redlichkeit des arischen Menschen um die Ohren.
Mit jedem verlogenen Tagebucheintrag, den er zutage fördert, entwirft er über seinen Vater, der mächtig stolz darauf war Hitlers Verteidiger in der „Kampfzeit“ gewesen zu sein, das Psychogramm eines Feiglings und Schreihalses, der sich als großer Max gerierte, aber damit nur seine Komplexe überkompensierte und vor allem seine riesige Angst vor Hitler und seinen Kumpanen und vor seiner eigenen Frau verbergen wollte. Ein Nazi eben. Und sein Vater.
Es ist eigenartig, wenn man die Person Niklas Frank im Fernsehen sieht und dieses Bild mit dem Autor vergleicht, das man sich beim Lesen des Buches gemacht hat.
Keine Spur von dem rasenden Wüterich, als den man ihn sich vorstellt, sondern ein eher zurückhaltender und schüchterner Mann, der sich irgendwie linkisch in seinen Sätzen verirrt, wenn er gezwungen ist, sie zu sprechen. Obwohl er seit langer Zeit in Norddeutschland lebt, hat er sich eine leicht bayrische Dialektfärbung bewahrt, was eine eigenartige aber sympathische Mischung ergibt.
Unter der ruhigen, bescheidenen Oberfläche brodelt es in der Seele. Auch er ist auf seine Weise ein typisches Produkt dieser größenwahnsinnigen Katastrophe namens Drittes Reich
Mutter eiskalt
„Schwachherzige Frau Reichsminister. Wässrige Witwe eines Generalgouverneurs. Beinharte Verlegerin seiner Memoiren „Im Angesicht des Galgens“. Ende für die Kämpferin aus der Niederlausitz, aus Forst, die freche Göre, die Lesbe à la carte, die raffinierte Liebhaberin armseliger Hodenwurschtler, devote Erpresserin, die es aus armseligen Verhältnissen bis zur Königin von Polen (und zurück) brachte, ungebildet, ohne Moral, verlogen, geizig, habgierig, aber tüchtig, unendlich tüchtig. Und ohne jede Spur von Reue – eine deutsche Frau eben.“
Also porträtiert Niklas Frank fast zwanzig Jahre später seine Mutter.
Hatte er vorher einen abgebrochenen, halben Dialog mit dem abwesenden Vater geführt, ändert er jetzt die Perspektive. Hier nimmt er eine Beobachterposition ein. Er spricht nicht im Dialog mit seiner Mutter. Er nennt sie auch nicht Mutter oder „Mama“, sondern Brigitte.
Es wird hier sehr schnell klar, dass hier noch andere, mächtigere seelische Kräfte wirken und warum Niklas Frank diese Distanz zwischen sich und seine Mutter bringen will. Seine Mutter klagt er auch nicht an, wie seinen Vater. Er seziert und analysiert mit einer gnadenlosen Präzision und Pedanterie den Charakter seiner Mutter. Der Titel des Buchs und dessen Betonung, Meine deutsche Mutter, ist mit Bedacht gewählt. Er verschiebt den Fokus von den Mördern, Henkern und Genickschützen zu den Frauen, die mit nicht minderer Kälte und Rücksichtslosigkeit vom Holocaust profitiert und ihn gefördert haben.
Seine Mutter steht emblematisch für die deutschen Frauen, die vom Nationalsozialismus in jeder Hinsicht profitierten, von den Verbrechen ihrer Männer nichts wissen wollten und nach dem Krieg alles leugneten und verdrängten.
Über die Gedanken seiner Mutter und ihr Seelenleben weiß er genau Bescheid, weil seine Mutter die manische Angewohnheit hatte, jeden Tag akribisch in Steno-schrift festzuhalten.
Aus großer Ferne ahnt man eine diffuse Sympathie oder zumindest Respekt für sie. An manchen Formulierungen kann man herauslesen, wie ihm trotz allem ihre Dreistigkeit imponiert.
Und trotz allem läuft es einem bei ihrer Beschreibung seiner eigenen Mutter kalt den Rücken herunter: Eine autoritäre Frau, die Männer nach Macht und Status beurteilt und auswählt, die dem großen Hans Frank die Ehehölle heißmachte, aber die Scheidung verweigerte, um die Annehmlichkeiten und Privilegien nicht zu verlieren.
Sie machte Pelzgeschäfte mit Juden und ließ langjährige und freundschaftlich verbundene Geschäftspartner abblitzen ohne mit der Wimper zu zucken, als sie den Schutz der Frau Reichsminister vor der Deportation erbaten. Der Holocaust war ihr nur deshalb zuwider, weil sie keine Geschäfte mehr machen konnte.
Egoistisch, selbstsüchtig, kaltherzig. Bei Lektüre des Buchs fehlen einem die Adjektive um die grenzenlose Kälte zu beschreiben, die seine Mutter umgab.
Es ist das mit grausamer Konsequenz ausgebreitete Psychogramm einer rücksichtslosen, empathielosen Manipulateurin, nur dass es sich dabei um die eigene Mutter des Autors handelt. Und das macht es irgendwie viel schwerer zu lesen, als das Buch über den Vater (mit dem Niklas Frank mit dem Zeitabstand von 20 Jahren gnädiger umgeht; vielleicht auch einfach nur aus Mitleid mit ihm, der eine solche Frau geheiratet hatte).
Es ist fast unerträglich, mit welcher Akribie er die miesen, niedrigen Seitensprünge seiner Mutter aufzählt, die sogar auf die Hochzeitsreise einen ihrer Liebhaber mitnahm. All die Gemeinheiten und Niedrigkeiten, die Demütigungen und Herabsetzungen, die peinlichen Erlebnisse, und dabei nur in sehr seltenen Fällen ironisch sein muss. Die Briefe und Notizen sprechen für sich
Man steht baff vor dieser psychologischen Abspaltungsleistung, mit der Niklas Frank nicht wie ein Kind über seine Eltern spricht, sondern eher wie ein pedantischer Forscher, der mit Geduld und Akribie in einem gekachelten Labor das Wachstum einer besonders widerwärtigen Art von Zellkulturen beobachtet, sie kategorisiert und katalogisiert.
Es ist im Grunde neben der historischen Dimension auch ein Sittengemälde über die damaligen Beziehungsmuster zwischen Mann und Frau, die eher einem Kampf ähnelten. Vielmehr ist es aber das intime Panorama der Horrorehe eines Alptraumpaars.
Nachdem ihr verachteter Ehemann, der prächtige Generalgouverneur Hans Frank gehenkt ist, kommentiert sie die üppigen Lebensmittelgeschenke des Kardinal Faulhaber mit den lakonischen Worten: Selten ein Schaden ohne Nutzen dabei.
Niklas Franks Mutter, eine Frau, die einen auf perverse Weise fasziniert, so wie man einen Serienmörder interessant findet, war letztendlich genau der prototypische Charakter, der das Dritte Reich und überhaupt jede Diktatur erst ermöglicht und stützt.
Das Ehepaar Frank porträtierte Curzio Malaparte in seiner Reportagensammlung „Kaputt“, dessen Abschnitte er nach Tieren sortierte, unter dem Kapitel „Die Ratten“.
Herkunft
Auch Oskar Roehler arbeitet sich an seinen Eltern ab, vor allem aber an seiner Mutter.
Sohn von zwei heute völlig vergessenen Autoren der „Gruppe 47“ ist er vor allem als Regisseur bekannt, der sich schon im Jahr 2000 in dem Film „Die Unberührbare“ mit seiner Mutter auseinandersetzt, die ihn als kleines Kind verlassen hat.
Seiner Mutter Gisela Elsner, war, was man mit dem damaligen Ausdruck der Epoche ein „Fräuleinwunder“ nannte. Eine aparte und auffällige Erscheinung mit stark kajalgeschminkten Augen und einer riesigen schwarzen Perücke auf dem Kopf. Mit dem satirischen Gesellschafsroman „Die Riesenzwerge“ gelang ihr eine kurze Bekanntheit, aus der sie dann, drogen- und alkoholkrank, in den Orkus des Vergessens geriet.
Sie hat ihren Sohn stets als störende Last empfunden und hat schon während der Schwangerschaft versucht, ihn mit Wodkabesäufnissen und Faustschlägen auf den Bauch abzutreiben.
Eines Nachts verabschiedete sie sich knapp von ihm und verschwand im Aufzug.
„Ich war aufgestanden und hatte die leise Auseinandersetzung im Flur und den anschließenden Abgang mitbekommen: Zwei Koffer links und rechts in der Hand, ein schwarzes Kleid über der dünnen Figur, schwebte sie hinaus in das helle Lichtquadrat draußen im Gang und verschwand im Fahrstuhl gegenüber.
Der Fahrstuhl war wie ein Klumpen in die Tiefe des Universums gefallen, tief ins Unterbewusstsein, ohne je aufzuschlagen. Vielleicht stand ich deshalb manchmal als Vierjähriger nachts am Fenster und blickte hinaus wie ein einsamer Matrose, um auszuloten, an welchen Gestaden der Fahrstuhl meiner Mutter wohl ankam, und weil ich den Ton zu dem stummen Bild ihres Verschwindens suchte, durch den sich das in der Schwebe gehaltene Rätsel jener Nacht endlich lösen würde.“
Sein Vater, der verbittert einsehen muss, dass er als Schriftsteller erfolglos bleiben wird, lässt ihn in Berlin verwahrlosen.
Es sagt einiges über seine Eltern aus, wenn Roehler beschreibt, dass er Geborgenheit und so etwas wie menschliche Nähe und Liebe nur bei seinem Opa finden konnte, einem alten Nazi.
Sein Buch „Herkunft“ hat er selbst unter dem Titel „Quellen des Lebens“ mit Moritz Bleibtreu und Jürgen Vogel verfilmt.
Angesichts dieser Geschichten darf man sich über seine eigenen Eltern eigentlich gar nicht beklagen.
Ja, da hast Du auf jeden Fall recht.
Aber es gibt eine Menge Kinder, die wenn nicht mit körperlicher Gewalt, so doch mit anderer Form von Gewalt aufwachsen in Form von subtilen Manipulationen, Aggressionen und einem nervenzerfetzenden Perfektions- und Kontrollwahn.
Das Problem bei dem ganzen ist, dass bis auf die ganz wenigen – oben aufgeführten Beispiele – die es schaffen, ihre Situation zu reflektieren und sie in Produktivität zu verwandeln, abertausende kommen, die ihre erlittenen Verletzungen an ihren eigenen Kindern auslassen oder das Leben ihrer Mitmenschen vergiften.
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