Bücher

Eine kleine Auswahl kürzlich gelesener Bücher.

Morbidität in Tibet – „Der Schneeleopard“

Ich bin wirklich ein großer Fan von Sylvain Tesson, mit dem ich mich hier schon ein paar Mal beschäftigt habe.

In seinem neuesten Buch schildert Tesson wie er den französischen Tierfotografen Vincent Munier in den Himalaya begleitete, genauer auf das Changtang-Plateau, weil dieser dort den vom Aussterben bedrohten Schneeleoparden fotografieren wollte. Ein Buch, mit dem er den renommierten „Prix Renaudot“ erhalten hat.

Seine älteren Bücher waren für mich die reinsten „page-tuner“, mir gefielen der Freiheitsdrang, seine Wildheit. Ich sah in ihm fast schon einen neuen Jack London.

Wenn ich seine Bücher in eine Reihenfolge bringen sollte, dann würde ich sie so aufstellen: „L’axe du loup“ (soweit ich weiß immer noch nicht übersetzt) über seinen Marsch von Sibirien nach Indien; „Napoleon und ich“ (über eine Motorradreise von Moskau nach Paris mit der er Napoleons Rückmarsch von seinem gescheiterten Russlandfeldzug nachspürt, „Auf versunkenen Wegen“, eine Wanderung durch Frankreich nach seinem schweren Sturz, bei dem er nur knapp dem Tod entronnen ist (unlängst mit Jean Dujardin verfilmt), und schließlich „In den Wäldern Sibiriens“, einer Reportage, bei der nicht die Bewegung und das Vorwärtsdrängen das Thema ist, sondern das Verweilen in einer Hütte am Baikalsee.

In dem Bericht ist trotz der verschiedenen Schauplätze verhältnismäßig wenig los.

Das Buch beschreibt Fahrten durch die eisigen, stillen, menschenleeren Höhenzüge des Himalaya (eine Gegend, die Tesson magisch anzieht; nach dem Bericht könnten mich nichtmal zehn Pferde dorthin bringen) und das langwierige Warten auf den seltenen Panther, dem er allerdings ein schönes Kapitel in Form einer Erinnerung an eine verflossene Liebe widmet.

Ich fand das Buch ziemlich zäh und mühsam zu lesen. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass eisige Kälte von -35 ˚ Celsius und sauerstoffarme Höhen jenseits der 5000 Meter nicht gerade zu großem Tatendrang animieren.

So muss er den Mangel an Aktivität mit langatmigen Assoziationen und poetisch verschnörkelten Todesmetaphern füllen.

Interessant fand ich seine Erkenntnis, dass die Natur, auch wenn sie unbewohnt erscheint, von einer unerschöpflichen Anzahl von Tieren angefüllt ist, die sich vor dem Menschen verbergen, ihn aber aus der Unsichtbarkeit heraus beobachten.

Eine Tatsache, die schon der frühe psychedelische Maler Hieronymus Bosch erkannt und in einer Tuschezeichnung mit dem „Das Feld hat Augen, der Wald hat Ohren“ dargestellt hat.

Faszinierend auch das Bild, das Vincent Munier bei einer seiner Reisen von einem Falken geschossen hat und erst zwei Monate später, beim Entwickeln, registriert hat, dass sich ein Schneeleopard, den er zuvor vergeblich vor sein Objektiv bekommen wollte, aufs Bild gemogelt hatte und seine Augen direkt in sein Objektiv starren (Tip: oben links hinter dem Felsvorsprung).

Die Reise wurde auch filmisch dokumentiert, und im Gegensatz zum Buch finde ich den Film wirklich schön.

Alberto Moravia – „Die Verachtung“

Eine tragische, unglückliche Liebesgeschichte, die von Alberto Moravia (einem Autor, den ich erst kürzlich entdeckt habe), meisterhaft erzählt. Und in meiner Rowohlt-Übersetzung von 1969 sehr schön übersetzt.

Ein Drehbuchautor wird von seiner Ehefrau eines Tages verachtet, ohne dass er den Grund hierfür kennt oder dass seine Frau ihn ihm nennt.

Das Buch wurde von Jean-Luc Godard 1963 mit Michel Piccoli (einem meiner Lieblingsschauspieler) und Brigitte Bardot verfilmt. Leider wird dort die Geschichte, wie in der „nouvelle vague“ damals stilprägend in endlosen Dialogen zerlabert.

Eine tieftraurige, aber elegant und sehr schön geschriebene Geschichte.

Tragische Liebesgeschichte, die Zweite: „Es ist immer so schön mit dir“ von Heinz Strunk.

Ich bin auch ein Fan von Heinz Strunk, aber diese deprimierende Geschichte hat mich heruntergezogen. Bis auf die Episode, als der Protagonist betrunken auf dem Geburtstag seiner neuen Freundin deren Schwester rhetorisch zerstört, gibt es nicht den typischen brachial-brutalen urkomischen Humor, den Heinz Strunk zu seinem Markenzeichen gemacht hat. Strunk ist meiner Meinung nach einer der besten zeitgenössischen deutschsprachigen Schriftstelle und „Fleisch ist mein Gemüse“ wird immer der Maßstab bleiben und „Der goldene Handschuh“ war auch herrlich, aber nach „Junge rettet Freund aus Teich“ war das ein zweiter Griff ins Klo.

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